ein Bericht von Marinko Cacic
Wir haben soeben, nach genau 100 Tagen und Nächten, unsere 5-tägige Heimfahrt in Richtung Darwin angetreten. Nachdem wir die ca. 20m langen Netze ein letztes Mal gereinigt hatten, aß ich schnell zu Abend, um mich so schnell wie möglich an diesen Artikel zu machen.
Über einen Freund, der selbst als Deckhelfer auf einem der 5 Boote des Unternehmens „Austfish" gearbeitet hat, bin ich letztes Jahr an die Telefonnummer des Unternehmenschefs, welcher später auch mein Skipper wurde, gekommen. Mitte Februar 2012 hatte ich mich bereits frühzeitig mit ihm telefonisch in Verbindung gesetzt, da die Saison immer am 1. April beginnt. Mein Skipper fragte mich, ob ich schon mal auf einem Boot gearbeitet habe, was ich verneinte und ob ich Seekrank werden würde, was ich ebenfalls verneinte, obwohl ich es eigentlich gar nicht wusste. Weiterhin wollte er von mir wissen, ob ich denn kochen könne und wenn ja, auch für 7 Leute – sprich die Crew. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich das hinbekommen würde, da ich noch nie wirklich gut kochen konnte und der Schiffskoch auch kalkulieren muss, wie viel Nahrung und Getränke er denn für 7 Leute benötigt – all das natürlich möglichst preiswert, da die Kosten von der gesamten Crew getragen werden. Ich sagte JA, obwohl man mich hier gewissermaßen schon ins kalte Wasser werfen würde.
Später war es so, dass ich die ersten zwei Wochen unserer Zeit auf See gekocht habe, bis ein Mädchen als neues Crew-Mitglied dazu kam, die definitiv besser kochen konnte als ich und den Job dankend annahm.
Wie telefonisch vereinbart erschien ich am 17.3.2012 in Darwin am so genannten Duckpond (Ententeich). Hier werden mehr als 50 Boote vorbereitet, um in die Saison zu starten.
Nachdem ich herausgefunden hatte, wo mein Boot liegt, lernte ich schon die Crew kennen, unter anderem den First Mate, welcher die rechte Hand des Kapitäns ist. Er führte mich erst einmal im Inneren des Bootes herum und gab mir schon meine erste Aufgabe – Küche und Kühlschränke reinigen. Kurze Zeit später kam dann auch mein Skipper und stellte sich mir vor, ging mit mir ein paar Formalitäten durch und erklärte mir ein wenig über die Küche und wie er sich das Kochen vorstellt.
Das Essen ist auf See wirklich okay. Es wird viel Wert auf frischen Salat und Gemüse gelegt, dazu gibt es Lamm, Schweinebraten oder Hühnchen. Morgens und mittags reicht es allerdings wegen der Arbeit und des Seegangs meist nur zu einem Sandwich.
In den nächsten acht Tagen mussten alle Crewmitglieder 12 Stunden täglich vor Ort sein, um Netze auszubreiten, zu flicken, Ketten anzubringen, Kartons zu verstauen (10.000 für den Anfang), den Gefrierraum startklar zu machen, das Deck zu schrubben und Anker zu verbauen. Das hört sich jetzt viel an, aber man hätte es auch locker in vier Tagen geschafft – es war alles noch unbezahlt, wohlgemerkt.
Am letzten Tag erledigten wir dann die Lebensmitteleinkäufe. Zum Glück haben der andere Deckhelfer und ich eine ausgedruckte Liste der Vorsaison erhalten, an der wir uns orientieren konnten. Der Plan war eigentlich, sich nach System von Abteilung zu Abteilung durchzuarbeiten, gab es doch bei den Backwaren schon Probleme, da die unglaublichen Mengen an Brot gar nicht verfügbar waren und außer uns auch noch zig andere Boote ihre Einkäufe am gleichen Tag machten. Man versprach uns dann in der Bäckerei, das Brot bis zum nächsten Morgen abholbereit gebacken zu haben.
Es war der grausamste Einkauf meines Lebens. Fünf Stunden und sechs volle Einkaufswagen später waren wir dann fix und alle. Ich allerdings war auch um einiges erleichtert, da nicht alles an mir allein hängen blieb. Wie bei allem auf Deck ist Teamwork angesagt. 280 kg Fleisch wurden glücklicherweise schon vorab bestellt und direkt aufs Boot geliefert.
Einen Tag später ging es dann endlich los und ich war ganz aufgeregt - endlich geht mal was ab. Die „Tankstelle" befand sich gleich um die Ecke und nachdem wir 50.000 Liter Diesel und 10.000 Liter Frischwasser getankt hatten, was nochmals drei Stunden dauerte, mussten wir feststellen, dass wir nicht zur geplanten Uhrzeit auf das offene Meer fahren konnten, da der Wasserstand bei Ebbe zu niedrig geworden wäre auf dem Weg (Low – Tide). Wir waren also gezwungen, noch eine Nacht in Darwin zu bleiben, was ich dazu nutzte, um noch einmal in die Stadt zu gehen und noch ETWAS zu trinken und EIN WENIG Party zu machen;-).
Als ich mitten in der Nacht wieder das Boot erreichte, lag es ganze 5 Meter tiefer als zuvor und man musste schon höllisch aufpassen, dass man sich nicht die Knochen bricht bei diesem Kletterakt.
Am nächsten Morgen sind wir tatsächlich rausgefahren und es war ein echt tolles Gefühl. Darwin wurde hinter uns immer kleiner und wir fuhren direkt in Richtung Carpentaria Golf – das ist der große Golf im Nordosten Australiens. Auf der viertägigen Reise hatte ich Zeit, mich mit allem vertraut zu machen, was Küche und Gerätschaften angeht. Es ist eigentlich alles vorhanden, was man auch in einem normalen Küchenhaushalt findet. Ich stellte immer sehr viele Fragen über die Bootsausrüstung und man erklärte mir immer alles geduldig, was ich wirklich toll fand. Es lag aber auch daran, dass ich einfach Glück hatte und sehr nette Leute mit mir an Bord waren, wofür ich wirklich dankbar bin, da die Atmosphäre an Bord gut war und es immer viel zu lachen gab.
Am 1. April um 8.00 Uhr morgens wurde nun die Saison freigegeben und die 52 Boote, die schon seit letzter Nacht vor der „unsichtbaren Linie" im Carpenteria Golf gewartet hatten, fuhren nun alle gleichzeitig in das freigegebene Gebiet, um Prawns (Garnelen) zu finden, sie dann zu verpacken und einzufrieren. Unter dem Boot sind Schallsender installiert, welche den Meeresgrund und sämtliches Leben dazwischen auf einem Bildschirm farbig anzeigen.
Die Aufgabe des Skippers ist es, das Boot zu navigieren und die Viecher zu finden. Prawns bilden große „Haufen" am Meeresgrund, welche sich dann auf diesem Bildschirm als blau-gelb-grünes Gebilde darstellen. Solange das Boot in Fahrt ist, richten sich stets ein paar Augen auf diesen Bildschirm. Sobald sich eine solche „mark" zeigt, wird sie auf dem GPS markiert, sofort ein U-Turn eingeleitet, die Geschwindigkeit gedrosselt und entweder sofort vier große Netze an den Enden der beiden Ausleger per Riesenseilwinde ins Wasser gelassen oder erst ein kleines Test-Netz (trygear). Diese Entscheidung hängt vom Skipper ab und wie sicher er sich ist, dass es auch wirklich Prawns sind, denn manchmal ist es auch nur Fisch und die Aktion war vergebens.
Das Funktionsprinzip der Netze ist identisch – so genannte „Boards" bewegen sich unter Wasser voneinander weg, bis sie den Grund berühren und auf diesem entlang gleiten. Die dahinterliegenden Netze sind dann 9 Meter weit geöffnet und nehmen alles mit. Große Haie, Riesenschildkröten, Rochen und vieles mehr wird durch ein Spezialgitter gar nicht erst in die „Endtaschen" (worin die Prawns sind) hineingelassen, sondern kann direkt wieder ins Freie. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass sich große Schwertfische dank ihres zackigen Schwerts im Netz verfangen. Traurigerweise werden diese Schwerter dann mit der Handsäge abgesägt, anstatt die Netze aufwändig zu reparieren – trotzdem wollten alle Crewmitglieder so ein Schwert, um es als Andenken mit nach Hause zu nehmen.
Nach 1-3 Stunden werden die Netztaschen dann in einem großen Behälter auf dem Boot entleert. Von 300 – 3000 kg ist alles möglich. Manchmal sind die Taschen riesig und voller Prawns. Dann sind alle fröhlich, denn die Bezahlung ist vom Fang und von der Größe der Prawns abhängig. Man wird also per Tonne gefangener Prawns bezahlt.
Meine Bezahlung lag erst bei 8% und wurde dann auf 10% gesteigert, da manche Leute schon früher das Boot verlassen haben und somit alle mehr Geld bekamen. In dieser Saison war ich an einem Fang von genau 107,5 Tonnen beteiligt. Der Kilopreis für Prawns liegt dieses Jahr bei ca. 10 AU$.
Dazu ein Beispiel:
100 Tonnen Fang = 1.000.000 AU$ für das Unternehmen. 78% (780.000 AU$) bleiben im Unternehmen, 22%, sprich 220.000 AU$ sind die Gehälter. Davon 8%, also 17.600 AU$ nur für mich. Man weiß nie wie viel man fängt und es kommt vor, dass man 2 Wochen am Stück nichts, aber auch gar nichts fängt, also sogar Minus macht, weil man ja für die Verpflegung bezahlt.
Ich habe teilweise aber auch 500 bis 3.000 AU$ an einem Tag verdient, was natürlich Geld ist, das man nirgendwo anders verdient. Abzüglich aller Kosten blieben in meinem Fall am Ende 17.500 AU$ für die gesamte fünfzehnwöchige Saison. Die Kosten für Verpflegung lagen bei ca. 15 AU$ pro Person und Tag, also 1.500 AU$ insgesamt.
Die Unterkunft an Bord ist frei. Zwar sind die Kabinen recht klein und es reicht gerade mal für ein Hochbett und zwei Wandschränke. Man kann aber dennoch recht bequem in den Betten schlafen, die nicht mehr sind als Matratzen, die auf einer Holzplatte aufliegen. Die reine Fläche beträgt höchstens 2qm, man hält sich jedoch ohnehin nur zum Schlafen darin auf.
Zurück zum Thema, falls überhaupt noch jemand weiterliest, nachdem jeder nun weiß, wie viel Geld man auf Prawn- Trawlern verdienen kann.
Nachdem also die Prawns, welche mit Fischen, kleineren Haien, Krebsen, Seeschlangen und Rochen und anderem „Müll" vermischt in dem Behälter liegen, werden die Laufbänder gestartet, wobei mindestens zwei Leute am ersten Laufband Prawns sortieren. Der Fisch wird dann wieder über eine Rutsche zurück ins Meer gelassen, was auch der Grund dafür ist, dass wir ständig von tausenden Vögeln umschwärmt wurden. Auch Delfine waren unsere ständigen Begleiter, manchmal bis zu 30 Stück von ihnen.
Die Prawns landen dann in einem Wassertank, der mit Salzwasser und Antioxidantien gefüllt ist, die lediglich den Sauerstoff entziehen und heutzutage in fast jedem Lebensmittel enthalten sind. Am anderen Ende des Wassertanks steht eine Person. Sie bedient das zweite Laufband und füllt Plastikkisten mit der ungefähr richtigen Menge an Prawns. Je genauer diese Person arbeitet, desto schneller können die Leute an den 2 Waagen die Kartons mit dem Nettogewicht von 5 und 10 kg verpacken - und das bei jedem Wind und Wetter. An manchen Tagen gibt es so einen heftigen Wellengang, dass man nur sehr schwer stehen kann. Laufen, liegen, sitzen – nichts geht, da sich das Boot teilweise bis zu 35° neigt und im Inneren alles umherfliegt, was nicht fest ist.
Das Verpacken der Kartons geht in einem Affenzahn, um die Ware so schnell wie möglich in den Snapfreezer zu bringen, wo die Prawns dann teils noch lebendig bei -40 Grad gefroren werden. Meine Aufgabe war es, die Kartons zu wiegen, dann zu verpacken und später dann von Hand in die Tiefkühlregale zu schießen. Nach 12-18 Stunden sind diese dann tiefgefroren und werden meist morgens auf Temperatur gecheckt. Für diesen Zweck gibt es Schutzanzüge und Ski-Masken, damit man bei den eisigen Temperaturen nicht zu sehr friert.
Der Freezer fasst 32 Tonnen, was ungefähr 5.500 Kartons sind. Wenn es gut läuft, ist dieser nach einer Woche voll. Die Kartons werden später von Hand und teilweise über Kopf in Tiefkühl-LKWs entladen. Manchmal mit Laufband und manchmal ohne, je nachdem, an welchem Hafen man sich gerade befindet. Zum Ende der Saison-Wochen hatten wir einmal zwei Boote mit insgesamt 40 Tonnen Prawns abgeladen. Wir benötigten ca. 10 Stunden und 10 Leute, aber alle haben es überlebt.
Mein Fazit
Ich fand den Job nicht annähernd so hart wie andere Leute es mir geschildert hatten. Im Gegenteil, ich habe noch nie so viel geschlafen, Filme geguckt, gegessen und zur gleichen Zeit soviel Geld verdient - gleichzeitig war ich umgeben von atemberaubenden Sonnenauf- und –untergängen, Küstenlandschaften sowie Inseln, die nur sehr wenige Menschen zu Gesicht bekommen. Zum Glück wurde ich nicht einmal seekrank, nur ein wenig schlecht geworden ist mir ein paar Mal.
Ich kann den Job jedem nur empfehlen, Frauen und auch Männern. Natürlich müssen die Frauen keine zu harte Arbeit machen, sie bekommen trotzdem das gleiche Geld. Definitiv eine once-in-a-lifetime-opportunity.
Um den Job zu bekommen reicht es, zwischen dem 15.3 und dem 25.3 einfach am Duckpond in Darwin auf den einzelnen Booten herum zu fragen. Wenn euer Englisch okay ist, ihr bestenfalls auch noch kochen könnt, nicht seekrank werdet (seekrank wird man nur 2-3 Tage und man wäre lieber tot, aber danach ist's vorüber) und ihr euch vorstellen könnt, für so eine lange Zeit (ca. 75-100 Tage) auf dem Meer zu sein, ohne auch nur eine Nacht an Land zu verbringen, habt ihr den Job!
Die Saison geht mit Vorbereitungen etwa von Mitte März bis Mitte Juli.
Eine zweite Saison startet immer am 1. August. Diese läuft aber ein wenig anders ab und ist definitiv kein Zuckerschlecken. Sie dauert ganze 4 Monate. Dazu habe ich einen zweiten Erfahrungsbericht gefunden, den schon jemand verfasst hat und sich mit den Erzählungen der Leute, die mit mir auf dem Boot waren, deckt.