Schicksal oder Zufall?
Glaubt ihr an Schicksal oder an Zufall? Ich bin immer ein Zufalls-Mensch gewesen, aber wenn ich an meine australische Erfahrung zurück denke, dann zweifle ich daran. Hier die Erzählung einer 22-jährigen Studentin aus Italien über das Fremdsprachen-Unterrichten in OZ – ich entschuldige mich schon einmal für den vielleicht etwas holprigen, deutschen Schreibstil!
„Fernweh". Ein unübersetzbares Wort, das mich Deutsch noch mehr lieben ließ, damals, als es mir beigebracht wurde. Schon immer habe ich darunter gelitten und versucht, es verschiedenartig zu bekämpfen... Als Schulabsolventin war die Entscheidung, Fremdsprachen an der Uni zu studieren eine der guten Idee. Und die vorletzte Initiative, Fernweh zu bekämpfen, hat mich nach Down Under geführt, indem ich mich für eine Praktikumsstelle als Fremdsprachenassistent für italienisch in Western Australia durch meine Uni in Mailand beworben hatte.
Aus dem Bauch heraus...
Der Zufall (oder Schicksal?) führte mich zu einem Autor, der Romane mit dem Hintergrund Australien schreibt und der einen australischen Abend in einer Bar bei mir um die Ecke veranstaltete. Mit wenig Ahnung, wo Australien liegt, nahm ich begeistert und neugierig an der Veranstaltung teil und dachte, Australien muss echt ein geiles Land sein. Neugierde (oder Schicksal?) ließ mir die International Relations Webseite meiner Hochschule überprüfen – vielleicht gibt es ja etwas Australien betreffend, dachte ich mir.
In der Tat, „Iscrizioni aperte per stage come assistente di lingua italiana in Western Australia" (=Bewerbungszeit für ein Praktikum als italienischer Fremdsprachenassistent in Western Australia). Ich konnte es kaum glauben. 10 Wochen im Ausland, um italienische Kultur und Sprache Schülern beizubringen – ein Traum, den ich schon immer hatte. Meine Bewerbung war ein paar Tage später raus und eine Antwort kam bald: es gäbe für das Programm geeignetere Studenten als mich. Doch am 9. Juli 2013, knapp drei Woche vor Programmbeginn, bekam ich eine eMail: „Hallo Rubina, du hattest dich für das Praktikum als Fremdsprachenassistentin in WA beworben. Anfangs konnten wir dir keine Stelle anbieten, aber neulich hat uns eine Schule geschrieben, die gerne eine Fremdsprachassistentin haben möchte. Hast du noch Interesse?".
Zufälligerweise (Schicksal oder Zufall?) konnte ich einen Tag zuvor meinen "Australien-Ersatz-Urlaub" nach Spanien wegen Problemen mit der Kreditkarte nicht buchen. Glücklicherweise, denn ich konnte nun begeistert die Praktikumsstelle annehmen.
Planen und Ankommen
Drei Wochen, um einen Australienaufenthalt zu organisieren, sind vielleicht nicht viel, wenn man das Land kreuz und quer bereisen möchte. Allerdings waren drei Wochen für mich genug, um ein Visum zu beantragen und einen Flug zu buchen. Mehr brauchte ich nicht. Eine Unterkunft für den Praktikums-Zeitraum und den Airport Pickup hatte WAATI (Western Australia Association of Teachers of Italian) arrangiert. Als Visum beantragte ich ein eTourist Visa, da ich kein Gehalt bekommen würde und man mich als „freiwillige Mitarbeiterin" einstellen wollte. Am 25. Juli saß ich im Flugzeug Richtung Perth.
Nach 22 Stunden Flug begrüßten mich meine Aussie-Mutter Donna und zwei –Schwestern mit ihrem freundlichen Lächeln Freitagmittag am Flughafen. Olivia (5 J.) und Sophia (7 J.) sprachen so schnell und waren so begeistert, dass ich kaum ein Wort verstehen konnte. Die Schule begann für mich erst am nächsten Mittwoch, sodass ich Zeit zum Erholen hatte und etwas von Australien spüren konnte.
Mein zweiter "1. Schultag"
Die erste Fahrt in die Schule werde ich nie vergessen, da sogar zwei Regenbogen am bewölkten Himmel erschienen – ein Zeichen für mein nun beginnendes, australisches Schulabenteuer? Oder waren die Regenbogen nur ein Zufall? Ich war so aufgeregt wie ein Kind an Weihnachten, da ich seit meiner Kindheit keine Grundschule mehr betreten hatte. Ich wurde für meine Assistenzzeit nämlich einer „Primary School" 35 km nördlich von Perth zugeteilt. In Western Australia wird diese Stufe von 6- bis 13-jährigen Kindern besucht. Das entspricht der 1. bis 7. Klasse in Deutschland.
Zuerst brachten Donna und ich Olivia in die „Pre-Primary School" (Kindergarten) und Sophia in das „Year 2s", dann wünschte sie mir „a nice first schoolday" und ich machte mich auf die Suche nach Maria, der ersten der drei Italienisch-Lehrerinnen der Schule, die ich immer mittwochs unterstützen sollte.
Maria war eine ältere Frau, die mich an meine Oma erinnerte. Sie lächelte ständig und machte einen freundlichen Eindruck. Zuerst machten wir einen Schul-Rundgang: Eine riesige, aus neun Flach-Gebäuden bestehende Schule, die ungefähr 700 Kindern aufnahm. Außer der üblichen Klassenräume standen eine Mensa, eine Bibliothek, zwei Sportplätze, ein Kunst-, Musik-, Naturwissenschaft-Raum zur Verfügung. In der Mittagspause von 11.30 bis 12.10 stellte mich Maria dem kompletten Lehrer-Team vor und erklärte mir noch einmal meine Aufgaben für die nächsten Wochen: Beim Italienisch-Unterricht immer dabei sein und manchmal meine eigenen Unterrichte führen.
Maria war mittwochs für „Year 3s" und „Year 4s" zuständig, die entsprechenden deutschen 3. und 4. Klassen. Den Kindern stellte sie mich als „Fräulein Rubina" vor – ihr habt keine Ahnung, wie viel ich deswegen lachen musste. Während der ganzen Praktikumszeit war sie immer nett und hilfsbereit zu mir, hatte allerdings eine Lernmethode, die mir etwas „altmodisch" erschien, bzw. langweilig war. Das konnte ich auch von den Kindern mitbekommen, weil ihr nur die Fleißigsten gehorchten, während die anderen Streiche spielten und ständig kicherten. Außerdem war Marias italienisch nicht mehr wirklich aktuell, da sie vor 50 Jahren Italien verlassen und nach Australien eingewandert war und sich die italienische Sprache natürlich mittlerweile entwickelt und verändert hatte. Trotz meiner Bemühungen, ihr das aktuelle italienisch beizubringen, wollte sie es nicht annehmen und nicht korrigiert werden, wobei ich nur an die armen Schüler denken musste, die ansonsten etwas Falsches oder zumindest Veraltetes lernten.
Ein tolles Lehrer-Vorbild
Eine andere Geschichte über die Donnerstag-Lehrerin und meine Tutorin Denisse: Sie wurde in Australien geboren, hatte allerdings italienische Wurzeln und unterrichtete alle Jahrgänge zwischen „Year 3s" und „Year 7s" – ich unterstützte sie aber nur beim Donnerstag- Year 5s- bis Year-7s-Unterricht. Sie gefiel mir und ich konnte von Anfang an bei ihr eine Stärke spüren, die den Schülern Respekt einflößte, ohne dass sie sich wie eine Polizistin verhalten musste.
Für unseren ersten gemeinsamen Unterricht bat Denisse mich darum, eine Power Point Präsentation mit einfachen italienischen Sätzen über mich vorzubereiten. Als ich sie ihr zeigte, hatte sie ein paar Bemerkungen dazu: Das Bild meiner Mama sollte verändert werden, da sie einen Bikini anhatte. „It can lead to misunderstandings" erklärte sie mir. Naja, ich hatte das Bild wegen des tollen Lächelns meiner Mutti gewählt, aber ich gehorchte ihr. Außerdem seien meine italienischen Sätze zu kompliziert – und da war ich erstaunt. Das erklärte mir Denisse folgendermaßen. Wenn ich die australischen und italienischen Schüler gegenüberstellen wollte, sollte ich 2-3 Jahren bei den Aussie-Kindern abziehen, da das australische Grundschulsystem zu schwach ist, um an das selbe Niveau italienischer Schüler des gleichen Jahrgangs heran zu kommen. Ich hatte einfach den Fehler gemacht, an meine Grundschule-Zeit zu denken, damit ich etwas Angemessenes für das Alter der Kinder zusammenstellen konnte. Schade, dachte ich mir, da Kinder alles wie einen Schwamm absorbieren, besonders beim Sprachlernen.
Was ich an Denisse total mag, war ihr Verhältnis zu den Kindern. Streng, aber nicht zu streng, freundlich aber nicht zu freundlich: Sie besaß einfach ein tolles Gleichgewicht. Ich kann sie als perfektes Vorbild für eine Lehrerin-Praktikantin sehen, von der ich vieles beigebracht bekam.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt...
Die Freitags-Lehrerin war Aliaa. Sie war anfangs super freundlich zu mir, lachte über meiner Scherze, äußerte immer wieder ihren Wunsch, nicht nur meine Kollegin zu sein, sondern auch meine „Freundin" zu werden. Das gefiel mir natürlich super gut, aber noch mehr gefiel mir meine komplette Freiheit beim Unterrichten. Und zwar hatte sie zu Beginn der Unterrichtsstunde das Thema vorgestellt und dann konnte ich es in totaler Freiheit behandeln und führen – wobei „Thema" Bilder ausmalen, Lernspiele machen oder einfache Namen auf italienisch wiederholen bedeutete. Hört sich prima an, oder? Das Schicksal war aber anderer Meinung und nicht viel Zeit musste vergehen, bis ich die Wahrheit entdeckte.
Aliaa kam eigentlich aus Ägypten, war eigentlich Lehrerin für Naturwissenschaft, konnte gar kein Italienisch und war auch noch nie in Italien gewesen, unterrichtete aber diese Sprache, da es nicht genug Lehrerinnen gab. Das war der Grund, warum ich so viel Freiheiten beim Unterrichten hatte.
Aliaa war auch nicht wirklich Teil des Italienisch-Lehrer-Teams und ihre Enttäuschung darüber hat sie auf mich übertragen, obwohl ich daran nicht Schuld war. Mein Unbehagen spürten die Kinder langsam auch, sodass ich meine Tutorin Denisse ein paar Wochen später bitten musste, mich von der Arbeit mit Aliaa zu befreien. Das war echt nicht schön, vor allem wegen der Kinder, die sich bereits an mich gewöhnt hatten.
Der Zufall (eher Schicksal?) wollte es, dass Denisse auch freitags an der Schule unterrichtete, sodass ich sie auch an diesem Tag unterstützen konnte und nun wieder mit Freude in die Schule ging.
Home Sweet Home
Okay, ihr habt bis hierhin von der Schule gelesen, aber was habe ich eigentlich in der übrigen Zeit gemacht? Ich machte mich einfach zu einem Teil meiner Gastfamilien. Genau, kein Fehler, FamilieN mit N, da ich sogar von 2 australischen Familien aufgenommen wurde.
Ich war bei beiden meiner australischen Familien sehr glücklich. Ja, ein Umzug mitten in der Assistenzzeit ist eigentlich ungewöhnlich und vor allem nicht erwünscht, aber so war das Praktikum tatsächlich gestaltet und dagegen konnte ich nichts tun, obwohl Donna, Olivia und Sophia mich länger bei sich haben wollten. Auch bei Mark und Michelle fühlte ich mich wie daheim. Sie waren zwei wundervolle Eltern, die sich immer Sorgen um ihre Kinder machten. Edward (10) besuchte auch meine Grundschule, aber Rebekah (13) ging schon in die High-School.
Ich bekam Unterkunft und Verpflegung bei den zwei Familien kostenfrei und sie bekamen keine finanzielle Unterstützung für meinen Lebensunterhalt von der Schule oder sonstiges. Daher versuchte ich immer wieder, mich daheim nützlich zu machen. Ich koche zum Beispiel super gerne, deswegen bot ich mich immer wieder als Köchin an und half beim Aufräumen, Bügeln, Abspülen und bei ähnlichen Hausarbeiten. Die Kinder der Familien beim Italienisch-Lernen zu betreuen hätte ich auch gerne gemacht, leider waren sie – meiner Meinung nach – zu faul und zu verwöhnt, um mich Ernst zu nehmen. Für mich wäre es einfach nur sehr schwierig gewesen, als Mitspieler, ältere Schwester, Babysitter-Hausfrau und sogar als Lehrerin ernst genommen zu sein!
Eine Alleskönnerin zwischen hunderten Kindern...
Meine Aufgaben während der Assistenzzeit an der Grundschule waren sehr unterschiedlich. Ich war 3x wöchentlich von 8 bis 15 Uhr in der Schule, um beim Italienisch-Unterricht dabei zu sein. Ich habe Lieder gesungen, Geschichten erzählt, manchmal meine eigenen Unterrichte geführt, Bilder bemalt, viel mehr auf Englisch als auf Italienisch geredet, ganz einfache Präsentationen abgehalten, bei verschiedenen Aktivitäten mitgespielt, italienische Hausaufgaben vorbereitet und korrigiert, u.v.m. Bei dem Schule-„Sports Carinval" habe ich dem ganzen Schulteam bei der Organisation und Vorbereitung der Spiele geholfen. Während der italienischen Woche habe ich Pasta gekocht, „Tombola" gespielt, das italienische Schauspiel „Commedia dell´Arte" zusammen mit den Kindern geguckt u.s.w.
... die mittlerweile auch eine eigene Meinung über die australische Schule entwickelt hat.
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich die australische Schule im Allgemeinen als... zwiespältig beschreiben.
Einerseits ermahnt man zu Freundschaft, guten Manieren, Gleichberechtigung usw., anderseits werden Kinder meiner Meinung nach schlimm psychologisch bestraft, sollten sie etwas nicht Angemessenes tun.
Beispielweise wurde ein Schüler monatelang hinter eine Stellwand im Klassenraum gesetzt, weil er den Unterricht störte. Ihm wurde einfach gar keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Bei einem Gesamtschul-System, wie die australischen Lehrer ihres bezeichnen, sollten solche Geschichten nicht passieren – so eine Tat ist alles außer integrativ, finde ich.
Lehrer konnten nicht die Kleinen umarmen, mit einem Schmusen trösten oder was auch immer, weil das einfach gegen die Ordnung ist, denn Eltern könnten sich beschweren, dass ihr Kind berührt worden ist.
Ähnlich konnten Kindern keine Bonbons, Schokolade oder sonst was von den Lehrern bekommen: Ich musste vom Direktor die Erlaubnis einholen, um den Schülern Bonbons und Lollis an meinem letzten Arbeitstag schenken zu können.
Auch das Lehren-Lernen war für mich komisch. Da ich keine Vorerfahrung hatte, weder an italienischen noch an ausländischen Schulen, traute ich mich anfangs nicht, meine Meinung über die Lernmethoden zu äußern. Ich habe den Kindern während des Unterrichtes erklärt, was von italienischen Kindern des gleichen Alters in der Schule gefordert wird, und sie wollten es mir nicht glauben: Zu viel Lernen, zu viel Ernst, zu wenig Spaß.
Am Ende meiner Australienreise bin ich zu dem Schluss gekommen: Das australische Schulsystem steht in starkem Kontrast zum italienischen - zu wenig Lernen, zu wenig Ernst, zu viel Spaß.
Ein paar Tipps aus eigener Erfahrung
- Raucher werden in Australien als Randgruppe betrachtet – das heißt, Raucher haben eher wenige Möglichkeiten, in einer Schule tätig zu sein. Raucher/Nicht-Raucher kann zum entscheidenden Kriterium bei deiner Bewerbung als Fremdsprachenassistent sein.
- Respektvoll sein heißt nicht, eventuelle Probleme mit einem Lehrer zu verbergen. Ebenso heißt freiwillige Arbeit nicht Sklaverei. Solltest du mit einem Lehrer nicht gut zusammenarbeiten können, rede mit deinem Tutor/Ansprechpartner darüber: Kinder merken schnell, wenn etwas nicht stimmt und können auch darunter leiden.
Fazit und Ende
Das Arbeiten mit Kindern zwischen 5 und 13 Jahren ist eigentlich nicht nur Spaß und auch nicht so einfach wie man es sich ohne Geschwister gehabt zu haben vorstellt, so wie ich. Es war so anstrengend, dass ich abends daheim ankam und keine Energie mehr hatte, um was anderes zu unternehmen. Doch war die Arbeit so befriedigend, ich ging trotz der Müdigkeit immer mit einem Lachen ins Bett.
Meine Zeit in Australien war zu kurz für so ein großes Land. Ich wäre gerne länger als 3 Monaten geblieben, um Australien besser kennen zu lernen, aber das Leben wollte es anders. Ich hatte nämlich nur ein 3-Monats-Touristenvisum beantragt und den Rückflug nach Italien auch bereits festgelegt, da ich mein Studium abschließen wollte. Schweren Herzens musste ich meine 13 Klassen nach 9 Wochen Zusammenarbeit verlassen. Der Blick und das Lächeln der meisten Schüler werde ich allerdings nie vergessen. Aus dieser Erfahrung habe ich viel von den Lehrern und noch mehr von den Kindern gelernt.
Und, wer weiß, vielleicht wird mich das Schicksal nochmal nach Australien führen... In der Zukunft... Ich weiß es einfach nicht.
Egal, ich mache mir jetzt keine Gedanken darüber und genieße lieber meine Zeit in Berlin bei der Reisebine-Redaktion, wo ich nie gelandet wäre, hätte nicht das Schicksal nochmal mitgespielt – oder eher der Zufall?
Aber das ist eine andere Geschichte...